Diagnostik ME/CFS

Die Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches-Fatigue-Syndrom (ME/CFS) verfügt über keine eindeutigen diagnostischen Marker (wie Blut-, Stuhl- oder Urintests). Daher erfolgt die Diagnose dieses Krankheitsbildes in erster Linie durch Ausschluss anderer möglicher Ursachen. Dennoch gibt es sinnvolle Untersuchungen und diagnostische Ansätze, die bei Verdacht auf ME/CFS in Betracht gezogen werden können. Die Entscheidung darüber, welche diagnostischen Maßnahmen im Einzelfall erforderlich sind, obliegt natürlich dem behandelnden Arzt. Diese Webseite bietet lediglich einen Überblick über die wichtigsten Informationen; die konkrete Diagnostik sollte individuell von einem Mediziner bestimmt werden. ME/CFS wird als klinische Diagnose gestellt, was bedeutet, dass zunächst andere mögliche Erkrankungen ausgeschlossen werden müssen. Hierbei spielen die Kanadischen Konsensuskriterien mit der Bell-Einstufung und der Abfrage des Screening-Fragebogens zu postexertionaler Malaise eine zentrale Rolle. Bei positiven Befunden in diesen Bereichen ist es erforderlich, je nach individueller Symptomatik, weitere Erkrankungen auszuschließen. Der Arzt kann basierend auf dem Verdacht zusätzliche Untersuchungen wie Bluttests, bildgebende Verfahren oder spezifische Labortests anordnen.


Die möglichen Ausschlussdiagnosen für ME/CFS sind:

  • Infektionen, die zu Fatigue führen können, wie z. B. Epstein-Barr-Virus-Infektion, HIV, Lyme-Borreliose, Sarkoidose, Tuberkulose, HIV, Hepatitis C, Influenza, COVID-19.
    Hier ist zu bemerken, dass abgelaufene oder persistente Infektionen (z. B. Covid oder EBV-Virus) oft Auslöser von ME/CFS sind! Für eine Diagnose ME/CFS müssen die Beschwerden länger als 6 Monate anhalten.
  • Autoimmunerkrankungen/rheumatische Erkrankungen, die zu Fatigue führen können, wie z. B. Lupus erythematodes, rheumatoide Arthritis, Sjögren-Syndrom, Myasthenia gravis, Multiple Sklerose, Morbus Addison, Hashimoto-Thyreoiditis
    Manche Autoimmunerkrankungen können auch ME/CFS auslösen!
  • Neurodegenerative Erkrankungen, die zu Fatigue führen können, wie z. B. Alzheimer-Krankheit, Parkinson-Krankheit, Multiple Sklerose, Amyotrophe Lateralsklerose (ALS)
  • Krebserkrankungen, die zu Fatigue führen können, wie z. B. Leukämie, Lymphome, Brustkrebs, Prostatakrebs, Darmkrebs
  • Psychische Erkrankungen, die zu Fatigue führen können, wie z. B. Depression, Angststörung, Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)
    Depressionen z. B. können aber auch als Begleiterkrankungen zu ME/CFS auftreten!
  • Andere Erkrankungen, die zu Fatigue führen können, wie z. B. Eisenmangel, Anämie, Schilddrüsenunterfunktion, Niereninsuffizienz, Leberinsuffizienz, Herzinsuffizienz, Schlafapnoe, Fibromyalgie, Reizdarmsyndrom, MCAS
    Auch hier können z. B. das Fibromyalgiesyndrom, MCAS usw. begleitend zu ME/CFS auftreten.

Je nach Symptomatik sollte der Hausarzt zu den entsprechenden Fachärzten überweisen:
Kardiologe, Neurologe, Lungenfacharzt, Psychiater, Endokrinologe, Rheumatologe, Immunologe usw.

Blutwerte, die Hinweise auf eine ME/CFS-Erkrankung geben:

  • Autoantikörper: Bei etwa 30–40 % der ME/CFS-Patienten lassen sich Autoantikörper gegen Rezeptoren des vegetativen Nervensystems nachweisen. Diese Autoantikörper können auf eine Entzündung des Nervensystems hindeuten.
  • Immunglobuline: Bei ME/CFS-Patienten können die Konzentrationen von bestimmten Immunglobulinen, wie IgA, IgM und IgG, verändert sein. Diese Veränderungen können auf eine gestörte Immunfunktion hindeuten.
  • Zytokine: Zytokine sind Botenstoffe des Immunsystems. Bei ME/CFS-Patienten können die Konzentrationen von bestimmten Zytokinen, wie Interleukin-1β, Interleukin-6 und Tumornekrosefaktor-α, erhöht sein. Diese Erhöhungen können auf eine chronische Entzündung hindeuten.
  • Entzündungsmarker: Bei ME/CFS-Patienten können auch die Konzentrationen von anderen Entzündungsmarkern erhöht sein. Eventuell auch den Rantes-Wert testen.
  • Intrazelluläres ATP: Das intrazelluläre ATP ist ein Maß für die Energieversorgung der Zellen. Es wird in den Mitochondrien produziert, den sogenannten „Kraftwerken“ der Zelle. Bei ME/CFS, dem chronischen Fatigue-Syndrom, ist der intrazelluläre ATP-Spiegel in den Blutzellen von Patienten oft verringert. Dies ist ein Hinweis auf eine Störung des Energiestoffwechsels.
  • MBL-Blutwert: Der MBL-Blutwert (Mannose-Bindende-Lektin) ist ein Marker für die Immunabwehr. Er ist bei Menschen mit ME/CFS häufig erhöht. Dies könnte darauf hindeuten, dass das Immunsystem bei ME/CFS überaktiv ist und übermäßig viele Immunzellen produziert (siehe im Text des Deutschen Ärzteblattes).
  • ACTH-Test: Der ACTH-Test (Adrenocorticotropin Hormon-Test) wird normalerweise zur Untersuchung der Funktion der Nebennierenrinde durchgeführt. ACTH ist ein Hormon, das von der Hypophyse im Gehirn produziert wird und die Freisetzung von Cortisol aus den Nebennieren stimuliert. Ein abnormaler ACTH-Test kann auf verschiedene Störungen der Nebennierenfunktion hinweisen. Im Zusammenhang mit ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches-Fatigue-Syndrom) könnte ein ACTH-Test durchgeführt werden, um mögliche Dysregulationen im Hormonsystem zu identifizieren.

Darüber hinaus können bei ME/CFS-Patienten auch andere Blutwerte verändert sein, wie zum Beispiel:

  • Elektrolyte: Bei ME/CFS-Patienten können die Konzentrationen von Elektrolyten, wie Kalium, Natrium und Magnesium, verändert sein. Diese Veränderungen können auf eine Störung des Elektrolythaushalts hindeuten.
  • Hormone: Bei ME/CFS-Patienten können die Konzentrationen von bestimmten Hormonen, wie Schilddrüsenhormonen und Geschlechtshormonen, verändert sein. Diese Veränderungen können auf eine Störung des Hormonhaushalts hindeuten.
  • Vitamin- und Mineralstoffspiegel: Bei ME/CFS-Patienten können die Spiegel von bestimmten Vitaminen und Mineralstoffen, wie Vitamin D, B12 und Eisen, vermindert sein. Diese Veränderungen können auf einen Mangel an diesen Nährstoffen hindeuten.

Weitere sinnvolle ergänzende Tests:

  • Nasa-Lean-Test: Der NASA-Lean-Test ist ein einfaches und kostengünstiges Verfahren zur Diagnose von orthostatischer Intoleranz (OI) oder dem posturalen Tachykardiesyndrom (POTS). Bei OI kommt es zu einer Abnahme des Blutdrucks und des Blutflusses zum Gehirn, wenn man sich von der Rückenlage in die aufrechte Position erhebt. Dies kann zu Symptomen wie Schwindel, Benommenheit, Kopfschmerzen oder Sehstörungen führen.
  • Cortisol-Tagesprofil: Das Cortisol-Tagesprofil bei ME/CFS zeigt oft eine gestörte Regulation, charakterisiert durch niedrige Morgenspiegel und abendliche Anstiege. Diese Dysregulation könnte zu den Erschöpfungssymptomen beitragen, die bei ME/CFS auftreten.
  • HRV-Messung: Bei Personen mit ME/CFS wurde eine verminderte Herzratenvariabilität festgestellt. Das bedeutet, dass die reguläre Variation der Herzfrequenz im Laufe der Zeit eingeschränkt ist. Eine geringe HRV kann auf eine gestörte Regulation des autonomen Nervensystems hinweisen, das den Herzschlag und andere automatische Funktionen des Körpers kontrolliert.
  • Neurostressprofil: Nach einem Stressereignis werden die Katecholamine Adrenalin, Noradrenalin und Dopamin innerhalb von Sekunden freigesetzt, wobei ihre Halbwertszeit nur wenige Minuten beträgt. Die Diagnose von Katecholaminen und Serotonin erfordert den zweiten Morgenurin. Während akuter Stresssituationen sind die Katecholamin-Werte erhöht. Bei anhaltender massiver Stressbelastung, möglicherweise im Zusammenhang mit ME/CFS oder Burnout-Syndrom, können jedoch oft Messwerte unterhalb des Normalbereichs beobachtet werden. Lang anhaltender Stress führt auch zu sinkenden Serotoninspiegeln. Tryptophan wird vermehrt in L-Kynurenin umgewandelt und steht nicht mehr für die Synthese von Serotonin zur Verfügung. Dies kann zu Beeinträchtigungen des Gefühlslebens führen, die bis hin zu Depressionen reichen können.
  • Mikrobiom: Studien deuten darauf hin, dass Menschen mit ME/CFS eine abnormale Zusammensetzung ihres Darmmikrobioms aufweisen könnten, einschließlich einer veränderten Vielfalt und Anzahl bestimmter Bakterienstämme. Diese Veränderungen könnten Einfluss auf das Immunsystem, die Energiestoffwechselprozesse und andere physiologische Funktionen haben, die wiederum zur Entwicklung und Aufrechterhaltung der Erkrankung beitragen könnten.
  • Instabile Halswirbelsäule: Eine instabile Halswirbelsäule kann zu einer Kompression des Hirnstamms führen. Der Hirnstamm ist ein wichtiger Teil des Gehirns, der für viele lebenswichtige Funktionen zuständig ist, darunter Atmung, Herzfrequenz, Blutdruck und Verdauung. Eine Kompression des Hirnstamms kann zu einer Reihe von Symptomen führen, darunter Müdigkeit, Erschöpfung, Konzentrationsschwierigkeiten, Schwindel, Kopfschmerzen und Schlafstörungen. Bei Menschen mit ME/CFS sind diese Symptome häufig. Es ist daher möglich, dass eine instabile Halswirbelsäule ein Auslöser oder ein beitragender Faktor für ME/CFS ist. Hier ist noch mehr Forschung nötig!
  • Handkraftmessung/sportmedizinische Untersuchung: Die Handkraftmessung bei ME/CFS bezieht sich auf die Bewertung der Muskelkraft in den Händen von Personen mit dieser Erkrankung. Diese Messung kann Teil einer umfassenden Untersuchung sein, um die körperliche Funktion und mögliche Einschränkungen bei ME/CFS-Patienten zu beurteilen. Desweiteren könnte eine sportmedizinische Untersuchung wie es Prof. Stark macht, die Einschränkungen im körperlichen Bereich beweisen (siehe Video Fachtag).

Begleiterkrankungen:

Ergänzende Untersuchungen, die auf Begleiterkrankungen hinweisen könnten, wie Histaminintoleranz, Allergien, Salicylatintoleranz, Mastzellmediatorsyndrom, Small-Fibre-Neuropathie, Ehlers-Danlos-Syndrom usw. sind hier nicht aufgezählt, können aber je nach Symptomatik erforderlich sein.

Fazit:

Für mich bieten immer noch die Empfehlungen der US ME/CFS Clinician Coalition bei Verdacht auf ME/CFS den besten Überblick über mögliche Untersuchungen. Die deutsche Übersetzung findet ihr hier. Das englische Original findet ihr hier. Das könnte für den behandelnden Hausarzt eine wichtige Hilfestellung sein. Die therapeutischen Konsequenzen aus den entsprechenden Untersuchungen, die hier als Überblick aufgelistet sind, muss der Arzt treffen!